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Nachruf

Am 21. August 2025 starb Heini Fritsche im Alter von 95 Jahren. Nach schwerer Krankheit fand er nun seine letzte Ruhe.

Heini Fritsche wurde am 2. Oktober 1929 in Leipzig geboren. Im Dezember 1945 trat er der SPD bei und wurde nach der Zwangsvereinigung in die SED übernommen, der er bis zu seiner Inhaftierung im August 1951 angehörte. Seit 1949 hatte er Kontakte zum Ostbüro der SPD und zum RIAS und gab Informationen zu den politischen Geschehnissen in der sowjetischen Besatzungszone weiter. Er selbst sagte in einem früheren Gespräch dazu: "Zu sehr war mir bewusst, dass man uns eine neue Diktatur überstülpte, dabei unter falscher Flagge des Antifaschismus segelte und den Begriff Demokratie pervertierte, …". Dem wollte er und seine Freunde damals etwas entgegensetzen.

Am 15. August 1951 wurde der 21-jährige Heini Fritsche von der Staatssicherheit in Potsdam verhaftet und einige Tage später dem sowjetischen Ministerium für Staatssicherheit (MGB, Vorläufer des KGB) übergeben. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte ihn wegen Spionage, antisowjetischer Propaganda und konterrevolutionärer Sabotage nach den Artikeln 58-6 Abs. 1, 58-10 Abs. 2, 58-11 und 58-14 des Strafgesetzbuchs der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) zu 25 Jahren Freiheitsentzug in einem Arbeitsbesserungslager (ITL). Der Abtransport in die Sowjetunion erfolgte am 24.3.1952, am 11.5.1952 kam er in Workuta am Polarkreis an. Dort leistete er im 29. Schacht/Lager 10 schwerste Zwangsarbeit im Kohlebergbau. Bei der blutigen Niederschlagung des Streiks am 1.8.1953 erlitt er schwere lebensbedrohliche Schussverletzungen. Noch zwei weitere Jahre musste er in dieser unwirtlichen Lagerregion fernab der Heimat verbringen. Erst nach den Adenauer-Verhandlungen im September 1955 in Moskau konnte auch Heini Fritsche im Oktober 1955 die Heimreise aus Workuta antreten. Er ließ sich mit der Rückkehr in die Bundesrepublik entlassen und wurde später Kriminalkommissar. 1993 wurde er durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation rehabilitiert.

Rückblickend äußerte er, dass er und seine Freunde im Nachkriegsdeutschland durch die Offenlegung der geheimen Vorgänge helfen wollten, dem SED-Regime die Maske vom Gesicht zu reißen und mit ihrem Wissen einen Beitrag zur Warnung der wiedererstandenen Demokratie im Westen zu leisten. Und: „Wir wussten von Anfang an, dass wir unsere Freiheit, sogar unser Leben aufs Spiel setzen würden. Dennoch waren wir entschlossen.“ Es war ein hoher Preis, den sie dafür zahlen mussten.

Die Bedingungen der Lagerhaft in der Sowjetunion haben es nicht geschafft, ihn zu brechen. Die Erfahrungen im sowjetischen GULag wurden zu einem Lebensthema für ihn. Nach der Rückkehr gab das Zusammensein mit den früheren Mitstreitern im Widerstand und den Haftkameraden Halt, Heimat und Geborgenheit. Seit den 1990er Jahren setzte sich Heini Fritsche sehr engagiert für die Rehabilitierung seiner Kameraden ein. Er übersetzte die Rehabilitierungsbescheide, die aus Moskau eintrafen und bemühte sich, die Angehörigen der rehabilitierten GULag-Häftlinge ausfindig zu machen, um ihnen die Bescheide zusenden zu können.

2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine ehrenamtliche Tätigkeit in diesen Rehabilitierungsangelegenheiten.

In dieser Zeit der frühen 1990er Jahre liegt auch meine erste Begegnung mit Heini Fritsche. Durch seine Suche nach den Adressen der Familien der Rehabilitierten wandte er sich auch an unsere Landesbeauftragtenbehörde. So viel konnte ich als Vertreterin einer späteren Generation von ihm lernen. Er beeindruckte mich mit seiner gradlinigen Haltung, seinem klaren Blick auf die politischen Verhältnisse in der Sowjetunion/Russland. In politischen Diskussionen hatte er sich stets klar geäußert, aber er konnte auch trennen zwischen den politischen Verhältnissen und den russischen Menschen.

Wir haben so viele Erinnerungen an ihn, an Begegnungen im Zusammenhang mit Veranstaltungen der Lagergemeinschaft GULag, an viele Gespräche miteinander, an seine Freundlichkeit. Er war ein wertvoller Zeitzeuge und es war so wichtig, dass er seine Erinnerungen aufgeschrieben hat und wir diese an jüngere Generationen weitergeben können.

In dieser Zeit der Trauer denken wir besonders an seine Ehefrau Hubertine Fritsche, die nun nach 62 gemeinsamen Ehejahren von ihrem Mann Abschied nehmen musste.

Wir werden Heini Fritsche mit seinem großen Engagement und unseren Eindrücken aus vielen Begegnungen und Gesprächen in guter und dankbarer Erinnerung behalten.


Ein Nachruf von Anne Drescher