Aktuelles
Eintrag vom 27.12.2018 ROLF-DIETRICH KEIL IST TOT
Die Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetunion trauert um Professor Dr. Dr. h.c. Rolf-Dietrich Keil, der kurz vor seinem 96. Geburtstag am 17. Dezember 2018 in Bad Nauheim verstorben ist.
Ein Nachruf von Mike Müller-Hellwig
Wer war Rolf-Dietrich Keil? Für die Wissenschaft war er ein begnadeter Slavist, der Puschkin, Pasternak, Turgenjew, Lotman und Zwetajewa aus dem Russischen ins Deutsche übersetzte, Studien über Puschkin und Gogol verfaßte, die russischen Verben einordnete und neu klassifizierte, Sonetten von Shakespeare zwei-sprachig aus dem Englischen übertrug, Hafis´ Gedichte aus dem Diwan aus dem Persischen übersetzte und einen wichtigen Teil seiner schöpferischen Arbeit der Leitung und Weiterentwicklung der Deutschen Puschkin-Gesellschaft widmete.
Für uns Soldaten war der Regierungsdirektor Dr. Keil als Leiter der Lehrabteilung Ost der Sprachenschule der Bundeswehr eine Säule der Ostsprachenaus- und Weiterbildung. Er formte und führte das Institut zu internationaler Bedeutung, bevor er als Studienprofessor an der Universität Bonn wirkte.
Die größte Herausforderung indessen hatte der soeben zum Dr. phil. Promovierte in den Jahren 1955 und 1956 zu bestehen: 1955 berief ihn Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer in seinen Beraterstab zur Vorbereitung der deutsch-sowjetischen Gespräche zur Heimholung der letzten deutschen politischen und Kriegsgefangenen aus sowjetischen Zwangsarbeitslagern und Zuchthäusern. Die „Moskauer Verhandlungen“ fanden vom 8. bis zum 14. September 1955 statt. Sie standen mehrfach vor dem Scheitern. Die sowjetische Partei- und Regierungsdelegation ("…wir haben keine Kriegsgefangenen mehr; es sind nurmehr gesichts- und ehrlose faschistische Bestien in unserem Gewahrsam…") verhandelte hart bis zur persönlichen Beleidigung mit dem knallharten Bundeskanzler und seinen beiden Dolmetschern. Dr. Keil zu mir in einem persönlichen Gespräch: "Da wurden Vokabeln seitens der Russen verwendet, wie ich sie kaum während meiner Kriegsgefangenschaft gehört, schon gar nicht selber gesagt habe. Aber der Kanzler blieb knochenhart, und Prof. Braun (erster Dolmetscher) und ich übersetzten den Russen manches unfeine Wort."
Wie wir heute wissen, waren die Verhandlungen letztlich erfolgreich, und Dr. Keil, der die letzten entscheidenden Streitgespräche Adenauer—Bulganin dolmetschte, hat zu diesem Erfolg an wichtiger Stelle beigetragen. Die deutschen politischen und Kriegsgefangenen werden ihren Fürsprecher niemals vergessen.
Mike Müller-Hellwig
Vermerk: Wenige Wochen nach Ende der Moskauer Verhandlungen traf der erste Transport mit entlassenen Gefangenen in Friedland ein.
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Eintrag vom 8.12.2018 CAUSA KNABE
In seinem offenen Brief vom 8. Dezember 2018 an Herrn Dieter Dombrowski bittet der Ehren-Vorsitzenden der UOKG Horst Schüler ihn dringend, um eine Erklärung und eine Stellungnahme zur Causa Knabe.
Sehr geehrter Herr Dombrowski!
Ich beziehe mich auf einen Brief, den der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Herr Arnold Vaatz, am 29. November an Sie geschrieben hat und der über Internet der Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde (https://www.arnold-vaatz.de/zur-causa-knabe-schreiben-an-den-vizepraesident-des-landtages-brandenburg-dieter-dombrowski-mdl/). Ebenfalls beziehe ich mich auf eine von Herrn Vaatz am 28. Nov. veröffentlichte Erklärung mit dem Titel: „Vaatz zur Causa Knabe“ (https://www.arnold-vaatz.de/pressemitteilung-vaatz-zur-causa-knabe/). In Brief und Erklärung geht es um die Entlassung des Direktors der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Herrn Dr. Hubertus Knabe, durch den von Herrn Senator Dr. Klaus Lederer geführten Stiftungsrat, dessen Mitglied Sie sind. Die Entlassung erfolgte mit Ihrer aktiven Hilfe wegen angegebener sexueller Belästigungen von anonym gebliebenen Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte durch den stellvertretenden Direktor. Herr Dr. Knabe wird beschuldigt, dagegen nicht ausreichend vorgegangen zu sein. Herr Vaatz nennt diese Entlassung "handstreichartig" und er wirft Ihnen u.a. vor:
- • mit der Wahrheit nachlässig umzugehen
- • "Bewusst getragene Unwahrheit" zu verwenden
- • falsche Fakten zu behaupten
- • die Behauptung zu tragen, dass Dr. Knabe eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft lediglich zu eigenem Selbstschutz gestellt habe, nicht etwa, um Täter zu ermitteln. Dr. Vaatz nennt dies eine "infame Unterstellung"
- • Herr Vaatz fragt Sie, was Sie eigentlich zum Schutz der betroffenen Frauen unternommen hätten. Damit verweist er auf die Personalverantwortung, die nach dem Stiftungserrichtungsgesetz bis zum 30. Juni 2018 beim Stiftungsrat (also auch bei Ihnen) und Herrn Senator Dr. Lederer lag
- • In dem Schreiben werden "Ihre Ausführungen ausgesprochen unglaubwürdig" genannt, weil sich Dr. Knabe "in seinem Vorgehen immer eng mit Ihnen abgestimmt hatte und Sie ihm vor seiner Kündigung in zahlreichen E-Mails und SMS versicherten, er habe alles richtig gemacht"
- • Herrn Dr. Knabe wurden mehrfach von ihm erbetene Informationen und Belastungsmaterial verweigert
- • "Der jetzt inszenierte Enthauptungsschlag gegen die Gedenkstätte Hohenschönhausen“, so Herr Vaatz, "dient dem klaren politischen Ziel der Linkspartei, das Gedenken an die Opfer der SED-Diktatur weichzuspülen und die Geschichte umzuschreiben." Es sei ihm "völlig unverständlich, weshalb Frau Professor Grütters als Vertreterin der Bundesregierung und der Vizepräsident des Brandenburgischen Landtags, Dieter Dombrowski, an dieser politischen Intrige zur Gleichschaltung der Gedenkstätte Hohenschönhausen mitwirkten. In den "äußeren Umständen", mit denen "die Ablösung des renommierten Historikers" Dr. Knabe betrieben wurde, sieht Herr Vaatz "eindeutige Indizien einer nahezu kriminellen Energie".
Sie werden sicher nachvollziehen können, sehr geehrter Herr Dombrowski, dass all die hier genannten massiven Vorwürfe (und es sind ja noch längst nicht alle genannt worden) - dass sie mich bestürzen, ja, fassungslos machen. Schließlich kommen sie von dem stellvertretenden Bundestags-Fraktionsvorsitzenden der Partei, der auch Sie in hoher Funktion des Landtags Brandenburg angehören. Wichtiger dabei ist mir jedoch Ihre Stellung als Vorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), deren Ehrenvorsitzender ich bin.
Gewissermaßen als Einleitung zu dem, was Herr Vaatz die "Causa Knabe" nennt, steht das Interview, das Sie unmittelbar zuvor u. a. der "Lausitzer Rundschau" gegeben haben und das unter den ehemaligen politischen Häftlingen des kommunistischen Terrors Aufsehen und Befremden auslöste. Ausgerechnet Sie, ebenfalls ein Opfer dieses Terrors und jetzt Vorsitzender des Dachverbandes der meisten Opfergemeinschaften, Sie hielten in dem Interview eine Zusammenarbeit mit Politikern der Partei "Die Linke" nicht mehr für ausgeschlossen - also der Partei, in der die SED nach dem Ende der DDR aufging. "Ich kann den jüngeren Mitgliedern der Linkspartei die politich-moralische Verantwortung für die Verbrechen der SED nicht persönlich anlasten", sagten Sie. Und: "Was ich nicht richtig finde, ist, dass man aufgrund alter, berechtigter Kampfbegriffe von vor 30 Jahren heute noch so tut, als wäre die Linkspartei noch immer die Partei von Erich Honecker und Erich Mielke."
Ach, wir Ahnungslosen! Der einstige Stasi-Oberstleutnant Willi Rom hat vor vielen Jahren gesagt: "Die Partei ist noch da. Sie hat unter viel schwierigeren Umständen gekämpft. Sie hat nie aufgegeben. Sie gibt vielleicht ihren Namen auf, heißt vielleicht SED oder PDS, aber sie gibt nie ihr Ziel auf. Die darauf hoffen, dass der Kommunismus am Ende ist – sie werden sich noch wundern, Sie hoffen vergebens."
Angesichts also dieser Ihrer Meinung verwundern Sie sich bitte nicht, wenn ich einen Zusammenhang ahne mit allem, was als "Schlammschlacht" um die Gedenkstätte Hohenschönhausen genannt wird. In meiner Eigenschaft als Ehrenvorsitzender der UOKG bitte ich Sie deshalb dringend um eine Erklärung und Stellungnahme zu den von Herrn Vaatz genannten Vorwürfen.
Es geht dabei nicht um die Debatte um eine Person, wie es in einer von über 40 Bürgerrechtlern und Historikern unterschriebenen Erklärung heißt, die unter dem Titel "Es reicht" veröffentlicht wurde. Es geht um mehr, nämlich auch um Sie, um Herrn Dr. Lederer, um den Stiftungsrat, um Frau Professor Grütters - vor allem aber geht es in dieser Debatte, die hauptsächlich von den Gegnern Dr. Knabes angeheizt wird, auch um das Recht des Direktors der Gedenkstätte Hohenschönhausen zu erfahren, was genau ihm vorgeworfen wird und um die Möglichkeit, sich angemessen verteidigen zu können. Was in einem Rechtsstaat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein muss.
Darüber hinaus aber geht es auch darum, wer die Deutungshoheit über die Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen hat. Es würde uns zutiefst schmerzen, wenn wir mit ansehen müssten, dass diese Deutungshoheit der Partei überlassen wird, die in ihrer Geschichte für eine alle Menschenrechte verachtende Gewaltherrschaft Verantwortung zu tragen hat.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Schüler
(Alle in Anführung gesetzten Ausführungen sind wörtliche Zitate)
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Eintrag vom 28.11.2018 URSULA MANZEL IST TOT
Am 30. August 2018 verstarb in Hamburg Frau Ursula Manzel im Alter von 93 Jahren.
Ein Nachruf von Horst Schüler
Manche Lebenslichter verlöschen einsam. Kaum jemand erfährt davon. Ursula Manzel, unsere Uschi ist tot. Gestorben bereits am 30. August 2018 in Hamburg, nach vier Wochen Krankenhausaufenthalt im Sommer, geschwächt entlassen, wieder Krankenhaus, dann hat sie aufgegeben, ließ sich nach Hause bringen – zum Sterben. Und wir alle, ihre Schicksalsgefährtinnen und -gefährten, wir alle haben nichts davon gewusst, erfuhren es jetzt erst aus einem Brief ihrer Großnichte, die mit ihr die letzten Tage teilte. "Sie war mit sich im Reinen und hat ihr Schicksal akzeptiert" ,heißt es darin. Uns aber bleibt nur stille Trauer und eine Würdigung dieses tapferen Lebens.
Seinen schrecklichen Höhepunkt fand dieses am 4. Februar 1925 im Mecklenburgischen Holzendorf begonnene Leben in der Lindenstraße in Potsdam. Dort, in einem Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes tagte das sowjetische Militärtribunal 48240. In einem Gruppenprozess verurteilte das SMT die an ihrem Geburtstag verhaftete Uschi und ihre Mutter zu jeweils 20 Jahren Haft, ihren in Ketten vorgeführten Vater Johannes aber zum Tode. Geschehen am 29. Mai 1951. Und frage bitte niemand nach den Urteilsgründen, denn alle im Prozess genannten verdeckten nur eines, nämlich die aktive Ablehnung der kommunistischen Terrorherrschaft.
Uschi und ihre Mutter kamen in die GULag-Regionen in der Sowjetunion, Vater Johannes wurde am 24. Juli 1951 in Moskau erschossen.
- Ursula Manzel, Jahrestagung der Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetuntion in Magdeburg, 5.-7. Juni 2015.
Nach dem Besuch Kanzler Adenauers in Moskau kam auch für Uschi Manzel die Heimkehr. Am 11. Oktober 1955. Seitdem wurde sie für die einstigen "Häftlings-Frauen" in der Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetunion eine Art Führungsperson. Obwohl sie sich gegen solchen Titel mit allen Kräften gewehrt hätte.
Aber ohne unsere Uschenka liefs nun mal nicht richtig.
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Eintrag vom 16.11.2018 GERECHTIGKEIT FÜR HUBERTUS KNABE
Spendenaufruf
Am 25. September 2018 wurde der Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Dr. Hubertus Knabe, nach mehr als 17-jähriger Tätigkeit gekündigt und mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt. Ein Grund dafür wurde ihm nicht mitgeteilt. Die Absetzung widerspricht fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaats und des Arbeitsrechts. Der Verdacht steht im Raum, dass die handstreichartige Entlassung politisch motiviert war, um einen unbequemen Kritiker und Mahner auszuschalten.
Wir sind froh, in einem Rechtsstaat zu leben, der es erlaubt, Entscheidungen wie diese gerichtlich überprüfen zu lassen. Allerdings ist dies ein Weg, der langwierig und teuer ist. Während die politisch Verantwortlichen ihre Kosten aus Steuermitteln decken können, muss sie der Betroffene alleine tragen.
Wir wollen, dass die Vorgänge um die Entlassung von Dr. Hubertus Knabe politisch und juristisch aufgeklärt werden. Alle, die seine Arbeit schätzen, möchten wir deshalb dazu einladen, sich mit einer Spende an den zu erwartenden Prozesskosten zu beteiligen. Auch ein geringer Betrag hilft schon weiter. Unser Ziel ist Gerechtigkeit für Hubertus Knabe.
Um eine zweckgemäße Verwendung der Spenden zu garantieren, haben wir den Rechtsanwalt Jürgen Graalfs als Treuhänder und Verwalter des Spendenkontos eingesetzt. Die auf das Konto eingehenden Spenden dürfen ausschließlich für Anwalts- und Gerichtskosten im Verfahren Dr. Hubertus Knabe ./. Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen verwandt werden. Sollten nach Abschluss des Rechtsstreits noch Gelder auf dem Konto verbleiben, fließen diese in vollständiger Höhe an "Gegenwind", die Beratungsstelle für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur in Berlin.
Bitte spenden Sie auf das
Spendenkonto
DE74 1001 0010 0926 5891 01
Empfänger: Rechtsanwalt Jürgen Graalfs
Betreff: Anderkonto Knabe
Siehe auch: https://www.gerechtigkeitfuerhubertusknabe.de/
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Eintrag vom 13.11.2018 BERICHT VOM 24. HALLE-FORUM
Ein Tabu: Zivilisten, Kriegsgefangene und politische Häftlinge in Lagern des NKWD
Das größte Treffen ehemaliger politischer Häftlinge in Sachsen-Anhalt stellte auf seinem mittlerweile 24. Halle-Forum, das vom 25. bis 26. Oktober 2018 in der Gedenkstätte Roter Ochsen stattfand, erneut die Frage nach den Lagern des NKWD in den Mittelpunkt.
Ein Bericht von Prof. Dr. habil Gerald Wiemers
Auch nach über 25 Jahren Aufarbeitung der Geschichte der sowjetischen Speziallager gibt es noch dunkle Flecken. Das betrifft den Personenkreis der politischen Häftlinge ebenso wie die Zusammensetzung des Lagerpersonals. Darüber hinaus sind einzelne Speziallager nur spärlich erforscht. Auch müssen die Vorgänge, die zur Lagerhaft führten, wissenschaftlich weiter aufgeklärt werden. Die Ungleichheit für Haft- und Haftfolgeschäden ist zwischen Opfern des Holocoust und des GULag noch immer vorhanden. Die russischen Besatzer haben die Einrichtungen der NS-Konzentrationslager wie selbstverständlich für ihre Zwecke genutzt. In der DDR wurden diese neuen Einrichtungen schamhaft „Speziallager“ genannt. Hier wurden Tausende von unschuldigen Menschen – nur wenige waren aktive Nazis - gefoltert und zu Tode gebracht.
- Dr. Carl-Gerhard Winter, Dr. Julia Landau, Birgit Neumann-Becker, Sybille Krägel und Klara Pinerova (v.l.n.r.) Foto: Dr. Gerald Wiemers.
Diesen Fragen versuchte das 24. Halle-Forum 2018 nachzugehen und Antworten zu suchen: „Ein Tabu: Zivilisten, Kriegsgefangene und politische Häftlinge in Lagern des NKWD“. Mit drei herausragenden Vorträgen und zahlreichen Diskussionsbeiträgen ist das am 25. und 26. Oktober gelungen. Nicht die Breite, sondern die Intensität des inhaltlichen Stoffes stand im Mittelpunkt. Bereits die Begrüßungsreden führten in die Thematik ein. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Dr. Kai Langner, betonte die Kontinuität der Veranstaltung zum 23. Halle-Forum mit dem Focus auf den zivilen Opfern. Katharina Brederlow, Beigeordnete für Bildung und Soziales der Stadt Halle, geißelte die Speziallager als Stätten der Unmenschlichkeit. Dort herrschte Stalins Terror, der als Demokratie verkauft wurde. Sie führte weiter aus, die Speziallager wurden aufgrund des NKWD-Befehls 00315 vom 18. April 1945 mit dem Ziel der "Säuberung des Hinterlandes der kämpfenden Truppen der Roten Armee von feindlichen Elementen" errichtet. In ihnen sollten als gefährlich eingestufte Personengruppen festgehalten werden. Die Sowjetische Besatzungsmacht hielt in den Speziallagern aber einen wesentlich umfangreicheren Personenkreis fest als die westlichen Besatzungsmächte in den dortigen Internierungslagern. Sie ließen sie länger bestehen und benutzten sie vor allem zur Unterdrückung politischer Gegner. Eva Feußner, Staatsekretärin im Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt, wagte einen Ausblick, die Erinnerungen weiterzutragen, das Demokratieverständnis bei der jungen Generation zu schärfen und historische Ereignisse zu bewerten lernen.
Das System sowjetischer Speziallager und der Umgang damit in Ost und West – das Vortragsthema von Dr. Julia Landau verhieß eine große Innen- und Außenschau dieses seit 1917 bestehendes Systems. Dazu kam es nicht. Es hätte wohl auch den Rahmen eines dreiviertelstündigen Vortrages gesprengt. Die Referentin, Kustodin in der Gedenkstätte Buchenwald und zuständig für die Geschichte des sowjetischen Speziallagers Buchenwald, erhielt ihre Ausbildung an der Ruhruniversität Bochum. Sie begann mit einem Überblick zur Geschichte der Speziallager seit 1945, den besonderen sowjetischen Vorstellungen in dieser Besatzungszone, den sowjetischen Militärtribunalen, dem Militärgefängnis in Magdeburg und der organisierten Verschleppung von deutschen Zivilisten in die Sowjetunion als Arbeitssklaven. Am Beispiel Buchenwald zeigte Julia Landau, dass dort neben Funktionsträgern der NSDAP zahlreiche Männer aus dem zivilen Bereich verhaftet worden waren. Diese sollten nach Karaganda geschickt werden. Die Speziallager werden 1950 aufgelöst, zuerst Sachsenhausen, dann folgten Bautzen und Buchenwald. Zwischen 1948 und 1950 kamen 28.000 Häftlinge frei. Die zahlreichen Toten, sehr viele verhungerten unter unsäglichen Bedingungen, wurden verscharrt und die Gräber unkenntlich gemacht. Heute ist dort der Waldfriedhof. Zahlreiche Informationen zu den Toten fehlen nach wie vor. Erich Loest hat diesen Stoff literarisch bearbeitet.
In der Tschechoslowakischen Republik gab es nach 1945 keine sowjetischen Speziallager, aber dennoch Straflager, die auf sowjetrussischen Druck errichtet wurden. Dazu gehörte das Lager in Jáchymov/Joachimsthal (Rovnost-Schacht) 1946-1961, das von 1945-1950 unter Leitung des russischen Geheimdienstes stand. Neun Lager, so die Referentin Dr. Klára Pinerová aus Prag, standen unter vollständiger Kontrolle des NKWD. Es ging um die beschleunigte Förderung von Uranerz (Uran-Pechplende) zum Bau der russischen Atombombe. Dazu wurden auch deutsche Kriegsgefangene eingesetzt, die sich selbst "Uransklaven" nannten. Einige hundert der deutschen Kriegsgefangenen wurden zwischen 1947 und 1949 zur SAG Wismut entlassen. Die wichtigsten Arbeitskräfte in Jáchymov blieben jedoch die tschechischen Gefangenen. Nach und nach wurde das Lager in Jáchymov ab 1955 aufgelöst, der Bergbau gestoppt, weil der Urananteil zu gering wurde.
Der politische Verein Političti Vĕzni http://www.politictivezni.cz/ (Politische Gefangene) als Bürgerverein 2008 begründet, konzentriert seine Tätigkeit auf das Gebiet um Jáchymov. Neben einer Dauerausstellung hat der Verein 2015 den Lehrpfad Die Hölle von Joachimsthal erneuert.
Auf der Suche nach ihrem Vater stößt Sybille Krägel aus Hamburg auf das wenig bekannte sowjetische Speziallager in Polen: Tost in Oberschlesien, heute Toszek. Sie forscht nahezu im Alleingang, warum ihr Vater 1945 von den Sowjets verhaftet wurde und nach drei Monaten zu Tode kam. Der ursprünglich dänische Automobilfabrikant Hans Rasmussen, frühes Mitglied der NSDAP, im sächsischen Hainichen, ist der älteste Sohn von Jörgen Skafte Rasmussen. Der Vater von Hans Rasmussen ist nicht irgendwer, sondern Gründer der legendären sächsischen Motorrad- und Automarke DKW. Er macht seinen Sohn schon mit jungen Jahren zum Chef der Framo-Werke in Hainichen, wo schicke Kleinwagen und Transporter vom Band laufen – später, in der DDR unter der Marke "Barkas" bekannt. Als die Todesnachricht die Hinterbliebenen erreicht, ist seine Tochter Sybille acht Jahre alt. Die unbeschwerte Kindheit ist für sie damit zu Ende. Das Lager wird bereits im Dezember 1945 aufgelöst. Sybille Krägel berichtet mit großem Elan. Nach wie vor finanziert sie Busreisen nach Tost und engagiert sich für das Gedenken an dieses sowjetische Speziallagert mit seinen Opfern. Am 25. Mai nächsten Jahres wird wieder eine Gedenkfeier stattfinden. Sybille Krägel wird künftig materiell unterstützt. Sie arbeitet im Vorstand der UOKG als Beigeordnete und ist Vorsitzende der Initiativgruppe NKWD-Lager Tost.
Die lebendige Diskussion unter der umsichtigen Leitung von Birgit Neumann-Becker, Beauftragte des Landes-Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, half, zahlreiche offene Fragen zu beantworten. So sprach Dr. Carl-Georg Winter, Vorsitzender der VOS in Sachsen-Anhalt, über die nach wie vor bestehenden Ungleichheiten der Opferrenten zwischen Opfern des Nazi-Regimes und des GULag. Abschließend sammelte Frau Neumann-Becker Themenvorschläge für das 25. Halle-Forum ein. Mit 64 Teilnehmern war das 24. Halle-Forum gut besucht und ein Erfolg für die zahlreichen Helfer und Organisatoren.
Siehe auch: https://aufarbeitung.sachsen-anhalt.de/aktuelles/halle-forum-im-roten-ochsen/
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Eintrag vom 25.10.2018 AUSSTELLUNG "IN LAGERN"
In Lagern - Schicksale deutscher Zivilisten im östlichen Europa 1941-1955
Noch bis zum 4. November 2018 ist die Wanderausstellung des Zentrums gegen Vertreibungen in der Frankfurter Paulskirche zu sehen.
Die Ausstellung möchte ein in der Öffentlichkeit wenig bekanntes Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte in das Bewusstsein von heute holen: Die Verschleppung deutscher Zivilisten in den damaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten sowie ihre Internierung in Lager. Diese Vorgänge sind Teil des großen Vertreibungsgeschehens, das die Deutschen im östlichen Europa während und nach dem Zweiten Weltkrieg traf. Sie umfassen auch die Deportation und die Zwangsarbeit der Deutschen in der Sowjetunion. Mehr dazu hier: http://www.z-g-v.de/zgv/ausstellung-in-lagern/
- Foto: Simone Schulz.
Bei der Ausstellungseröffnung am 21. Oktober 2018 wurde der Franz-Werfel-Menschenrechtspreis an den Historiker und Publizisten Prof. Dr. Michael Wolffsohn verliehen. Die Laudatio auf den Preisträger hielt der Historiker Prof. Dr. Andreas Rödder. Der hessische Ministerpräsident, Volker Bouffier, sprach als Schirmherr ein Grußwort. Die Rede von Herrn Dr. Wolffsohn ist hier nachzulesen: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article182440456/Menschenrechte-sind-in-Deutschland-in-der-Defensive.html/
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Eintrag vom 17.10.2018 SOLIDARITÄTSERKLÄRUNG MIT DR. KNABE
Solidaritätserklärung der Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetunion mit dem Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen Dr. Hubertus Knabe
Gegen die Führung der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen sind von Mitarbeiterinnen schwere Vorwürfe erhoben worden. Sie richten sich vor allem gegen den Stellvertretenden Direktor. Uns ehemaligen Gulag-Häftlingen sind die Details der Vorwürfe unbekannt.
In Folge der erhobenen Vorwürfe sind der Direktor der Gedenkstätte und sein Stellvertreter ihrer Posten enthoben worden. Wir ehemaligen politischen Häftlinge der Stasi-Gefängnisse im untergegangenen SED-Staat, wir Überlebende des stalinistischen GULag-Terrors in der Sowjetunion protestieren hiermit gegen die Amtsenthebung von Direktor Dr. Hubertus Knabe, gegen den die eingangs erhobenen Vorwürfe der Mitarbeiterinnen nicht gelten. Dies haben bereits die vier Angehörigen des Stiftungsbeirates der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen festgestellt und gegen die Amtsenthebung protestiert. Ihrem Protest schließen wir uns vollinhaltlich an. Die überstürzten Maßnahmen gegen Dr. Knabe, seine arbeitsrechtlich fragwürdige Kündigung sollten umgehend aufgehoben werden, weil gegen ihn offensichtlich keine gerichtsfesten Vorwürfe vorliegen. Wir fordern deshalb, Dr. Knabe sofort wieder als Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen einzusetzen.
In diesem Zusammenhang sehen wir ehemaligen politischen Häftlinge in dem von Stiftungsrat der Gedenkstätte angestrebten "Kulturwandel" in Wahrheit eine Schönfärberei der finsteren Realitäten des Justizwesens der früheren DDR, wie sie von linksextremen Kräften seit langem angestrebt wird. Seit Jahrzehnten haben wir gegen das Unrecht-Regime gekämpft, oft unter Verlust unserer Freiheit, viele sogar unter Verlust ihres Lebens. Wir fordern, dass Zeitzeugen der kommunistischen Verfolgung weiterhin im Zentrum der Aufarbeitung in der Gedenkstätte Hohenschönhausen stehen müssen.
Horst Schüler, Ehrenvorsitzender der Lagergemeinschaft Workuta,
Stefan Krikowski, Sprecher der Lagergemeinschaft Workuta
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Eintrag vom 7.10.2018 OFFENER BRIEF AN KLAUS LEDERER
Mitglieder des Beirats der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen protestieren entschieden gegen die Entlassung des Direktors der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Dr. Hubertus Knabe, und fordern dessen Wiedereinsetzung.
Ein offener Brief
von
Heidi B o h l e y, Freya K l i e r, Edda S c h ö n h e r z,
Prof. Dr. Barbara Z e h n p f e n n i g,
Mitglieder des Beirats der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
an
Dr. Klaus Lederer
Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Senator für Kultur und Europa
Brunnenstraße 188-190
10119 Berlin
1.Oktober 2018
Wir, die Unterzeichnerinnen, protestieren als Mitglieder des Beirats der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen entschieden gegen die Entlassung des Direktors der Gedenkstätte, Dr. Hubertus Knabe, und fordern dessen Wiedereinsetzung.
Begründung:
1. Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung richten sich nicht gegen Hubertus Knabe, sondern gegen seinen Stellvertreter Helmuth Frauendorfer.
2. An der Chronologie der Ereignisse ist leicht ablesbar, welche Schritte Herr Dr. Knabe bereits vor der Stiftungsratssitzung vom 25.9.2018 eingeleitet hatte, um die angezeigten Missstände abzustellen:
- April 2018
Der Gedenkstättendirektor erhält von der Kulturverwaltung Berlin einen Hinweis auf dort anonym eingegangene Beschwerden wegen sexueller Belästigung in seinem Haus - ohne konkrete Angaben zu den Vorwürfen. Daraufhin erstattet Hubertus Knabe Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin.
- August 2018
Die Staatsanwaltschaft Berlin stellt die Ermittlungen ein, da ein für eine Anklageerhebung erforderlicher hinreichender Tatverdacht nicht gegeben sei.
- Montag, 17.9. 2018
Der Gedenkstättendirektor erfährt durch eine Anfrage des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) erstmals, worüber sich die Mitarbeiterinnen konkret beschwert haben. Knabe bedauert, dass sich die Mitarbeiterinnen weder an den Personalrat noch an die Leitung der Gedenkstätte gewandt haben. Er schließt mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung zum Beschäftigtenschutz und respektvollen Umgang am Arbeitsplatz und ernennt eine Antidiskriminierungsbeauftragte.
- Mittwoch, 20.9.2018
Der rbb berichtet nun erstmals öffentlich von Klagen über sexuelle Belästigungen durch den stellv. Direktor Helmuth Frauendorfer. Gedenkstättendirektor Knabe erklärt darauf in einer Pressemitteilung, dass bereits Konsequenzen gezogen wurden (s.o. Dienstvereinbarung und Antidiskriminierungsbeauftragte).
- Montag, 24.9.2018
Helmuth Frauendorfer wird vom Direktor mit sofortiger Wirkung beurlaubt: Frauendorfers Anwalt hatte bestätigt, dass die Vorwürfe "zum Teil wirklich berechtigt" seien. Knabe glaubt, dass der Stiftungsrat sich nun am nächsten Tag mit der juristischen Bewertung der Vorwürfe beschäftigen wird. Zugleich bittet er die Ärztin und ehemalige Präsidentin der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, um eine Befragung der Mitarbeiterinnen hinsichtlich sexueller Belästigungen.
"Wenn es Kritik gibt, dann gehört diese auf den Tisch. Ich bin sehr dankbar, dass sich Frau Dr. Bergmann-Pohl bereit erklärt hat, zusammen mit der Anti-Diskriminierungsbeauftragten der Gedenkstätte die Situation von unabhängiger Seite zu untersuchen."
Das Ergebnis der Befragungen soll in einem Abschlussbericht festgehalten werden, der auch praktische Schlussfolgerungen für ein respektvolles Zusammenarbeiten zwischen Männern und Frauen enthalten soll. Darüber hinaus werde es Schulungen für Mitarbeiter geben, um sie für das Thema zu sensibilisieren und Verhaltenshinweise zu geben.
Quelle: https://www.stiftung-hsh.de/presse/pressemitteilungen/ PM vom 20. + 24.9.2018
- Dienstag, 25.9.2018
Sitzung des Stiftungsrates mit
Dr. Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa Berlin (Vorsitzender)
Martina Gerlach, Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Justiz
Maria Bering, Leiterin Gruppe K4 "Geschichte und Erinnerung" bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien
Dieter Dombrowski, MdL Brandenburg, Vorsitzender des Gedenkstättenbeirats
Birgit Neumann-Becker, Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Vertreterin des Gedenkstättenbeirats
Nach zweistündiger Wartezeit vor dem Sitzungsraum teilt der Stiftungsratsvorsitzende Klaus Lederer (DIE LINKE) dem Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe ohne Anhörung oder Nennung konkreter Beschuldigungen die ordentliche Kündigung und sofortige Freistellung von allen Dienstpflichten als einstimmigen Beschluss des Stiftungsrates mit.
Den Mitgliedern des Gedenkstättenbeirats gegenüber begründet Lederer die Kündigung in einer Mail mit den Worten:
"Der Stiftungsrat hat kein Vertrauen, dass Herr Dr. Knabe den dringend notwendigen Kulturwandel in der Stiftung einleiten wird, geschweige denn einen solchen glaubhaft vertreten kann."
3. Der Stiftungsrat, der die Absetzung beschloss, hat Herrn Dr. Knabe also nicht zur Sache angehört. Das stellt einen eklatanten Verstoß gegen den Rechtsgrundsatz „Audiatur et altera pars“ dar. Die Vorwürfe nur einer Seite zur Grundlage einer solch weitreichenden Entscheidung zu machen, ohne die Sicht der Gegenseite zu berücksichtigen, legt den Verdacht der Vorverurteilung nahe.
4. Außerdem hat der Stiftungsrat Herrn Dr. Knabe offenbar nicht mitgeteilt, was konkret gegen ihn vorliegt. Auch dies ist ein völlig unakzeptables Vorgehen.
5. Die aus dem Beirat in den Stiftungsrat entsendeten Mitglieder Dieter Dombrowski und Birgit Neumann-Becker, die mit ihrer Zustimmung die sofortige Entlassung des Gedenkstättendirektors (vorerst) legitimierten, haben vor dieser so schwerwiegenden Entscheidung keine Rücksprache mit dem Beirat gehalten. Damit wurde das Gremium, das sie entsandt hatte, von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Deshalb konnten wir auch nicht den alternativen Lösungsvorschlag einbringen, statt einer Kündigung des Direktors den freigewordenen Stellvertreterposten einfach mit einer Frau zu besetzen.
6. Die Art und Weise, wie man Dr. Knabes Dienstverhältnis beendet hat ist entwürdigend und von der Sachlage her keinesfalls gerechtfertigt. Vielmehr erwecken diese Maßnahmen den Anschein einer Strafaktion, die sich eher als Reaktion auf seine politische Unangepasstheit denn als Antwort auf (vorgebliche) Verfehlungen deuten lässt.
Die Unterzeichnerinnen verurteilen das durch nichts zu rechtfertigende Verhalten der übergeordneten Behörden und des Stiftungsrats und fordern eine Revision des Beschlusses.
Heidi Bohley – Zeit-Geschichte(n) e.V. Halle an der Saale
Freya Klier – Schriftstellerin und Dokumentarfilmerin
Edda Schönherz – Vorsitzende des Stammtisches der Hoheneckerinnen
Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig – Universität Passau
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Eintrag vom 25.9.2018 KOALITION MIT DER LINKSPARTEI?
Horst Schüler entgegnet dem UOKG-Vorsitzenden Dieter Dombrowski.
Ein offener Brief
Sehr geehrter Herr Dombrowski,
mit Befremden habe ich Ihre Aussagen im Interview mit Herrn Lassiwe gelesen. Sie haben darin u. a. eine Zusammenarbeit mit Politikern der Partei "Die Linke" nicht mehr ausgeschlossen. Wörtlich sagten Sie: "Ich kann den jüngeren Mitgliedern der Linkspartei die politisch-moralische Verantwortung für die Verbrechen der SED nicht persönlich anlasten." Ebenfalls war zu lesen: "Was ich nicht richtig finde, ist, dass man aufgrund alter, berechtigter Kampfbegriffe von vor 30 Jahren heute noch so tut, als wäre die Linkspartei noch immer die Partei von Erich Honecker und Erich Mielke." Zwar darf man sich darüber wundern, was Sie, sehr geehrter Herr Dombrowski, als Politiker der CDU sagen, doch das müssen Sie letztlich gegenüber Ihrer Partei allein verantworten, es geht mich weiter nichts an. Sie sind aber auch Vorsitzender der UNION DER OPFERVERBÄNDE KOMMUNISTISCHER GEWALTHERRSCHAFT, und in dieser Funktion gewinnen Ihre Aussagen deutlich an Gewicht, weshalb sie auch für enormes Aufsehen in der Öffentlichkeit gesorgt haben. Ich muss Ihnen ja nicht sagen, dass sich in der von Ihnen geleiteten UOKG ungezählte Frauen und Männer vereint haben, die lange Jahre in den Kerkern und Lagern der kommunistischen Terrorherrschaft unsägliche Folter erlitten haben, dass sie vielen ihrer ermordeten Kameradinnen und Kameraden nachtrauern. Deren Andenken zu bewahren und unsere bitteren Erfahrungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - dieser Aufgabe haben wir uns verschrieben, deshalb wurde vor Jahrzehnten die UOKG gegründet. Kein Wunder also, wenn uns die Aussagen des jetzigen Vorsitzenden der UOKG so bestürzen, zumal Sie ja auch selbst unter der kommunistischen Herrschaft gelitten haben. Den jüngeren Mitgliedern der Linkspartei die politisch-moralische Verantwortung für die Verbrechen der SED nicht persönlich anlasten! Was würden Sie wohl sagen, wollte man solch entschuldigendes Argument auch gegenüber jungen Neonazis anwenden? Ich gehe mal davon aus, dass Sie in der Hast und Eile eines Interviews Ihre Aussagen nicht so recht bedacht haben. Dennoch möchte ich gern wissen, ob Sie sich mit den anderen Verantwortlichen in der Führung der UOKG vor dem Interview abgesprochen haben. Weiterhin meine ich, dass der Vorgang in einer außerordentlichen Hauptversammlung der UOKG behandelt werden sollte.
Mit freundlichen Grüßen,
Horst Schüler
Ehrenvorsitzender der UOKG und der Lagergemeinschaft Workuta / Gulag Sowjetunion
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Eintrag vom 23.8.2018 NEUE BIOGRAFIE
Die Biografie von Helga Sperlich wurde am 21. August 2018 auf www.workuta.de veröffentlicht.
Eintrag vom 11.7.2018 MARTIN HOFFMANN IST TOT
Dr. Martin Hoffmann ist am 2. Juni 2018 im Alter von 88 Jahren in Karlsruhe verstorben.
Ein Nachruf von Prof. Dr. habil. Gerald Wiemers
Er gehörte zum studentischen Widerstand der ersten Stunde in Sachsen. Als Jugendlicher hat er die NS-Diktatur erlebt und gehasst. Der Neuanfang sollte grundsätzlich anders aussehen. Die Achtung der Menschenrechte und ein demokratisches Grundverständnis, wie freie Wahlen, gehörten dazu. Der junge Martin Hoffmann verteidigt die Würde des Menschen und hielt sie für unantastbar. In der neugegründeten Liberaldemokratischen Partei (LDP, später LDPD) hoffte er, wie so viele, eine geistige Heimat zu finden.
Nach dem Besuch der höheren Handelsschule in Freiberg, wird er 1950 Student an der renommierten Ingenieurschule in Mittweida. Dort leistet er Widerstand gegen die fortgesetzten Menschenrechtsverletzungen der DDR. Bereits am 24.Oktober 1951 wird er von der Staatsicherheit in der Ingenieurschule entführt und verfassungswidrig im Rathaus von Mittweida an die Rote Armee ausgeliefert.
Am 4. Januar 1952 verurteilt ein Sowjetisches Militärtribunal (SMT) in Dresden Martin Hoffmann nach Art. 58-6, 58-10 und 58-11 des Strafgesetzbuches der Russischen Föderation wegen sogenannter Antisowjethetze zunächst zum Tode und später in drei Verfahren zu jeweils 25 Jahren Arbeits- und Besserungslager.
Hoffmann wird nach Workuta, nördlich des Polarkreises verschleppt. Zu seinen Angehörigen hat er nach seiner Verhaftung keinerlei Kontakt. Unter verschärften Bedingungen arbeitet er dort als politischer Gefangener unter unsäglich schweren Bedingungen in Schacht 40 im Kohlebergbau. Die Hoffnung auf Freilassung scheint verschwindend gering.
Mit dem historischen Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau im September 1955, als er der sowjetischen Führung die Rückführung der deutschen Gefangenen gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen abrang, kam auch Martin Hoffmann am 15. Oktober 1955 frei. Bald darauf setzte er sein Ingenieurstudium in Karlsruhe fort, das er als diplomierter Elektroingenieur abschloss. Bis zu seinem Ruhestand arbeitete Hoffmann als technischer Leiter und Betriebsingenieur bei einer Landesversicherungsanstalt.
- Martin Hoffmann in seinem Zeitzeugenmuseum in Karlsruhe, 2014.
Die Jahrestagung der Lagergemeinschaft Workuta/GULag 2014 in Karlsruhe hat er weitgehend vorbereitet. Sie stand unter dem Motto "25 Jahre Deutsche Einheit". 2007 ist Martin Hoffmann für sein Gesamtschaffen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet worden.
Martin Hoffmann gehörte zu den aktivsten Mitgliedern der Lagergemeinschaft Workuta. Er hat kaum eine Jahrestagung verpasst. Die Aufarbeitung der Geschichte der sowjetischen Lager war für ihn ein zentrales Thema. Vorträge vor Schülern oder Führungen durch seine Ausstellungen sind ihm ein Bedürfnis gewesen. Möglichst weite Kreise sollten mit den Praktiken im GULag vertraut gemacht werden.
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Eintrag vom 6.7.2018 SIEGFRIED JENKNER IST TOT
Prof. Dr. Siegfried Jenkner ist gestorben
Ein Nachruf von Dr. Werner Gumpel
Prof. Dr. Siegfried Jenkner, der dank seiner Publikationen und öffentlichen Auftritte bei wissenschaftlichen Konferenzen weit über den Kreis der Workutaner hinaus bekannt geworden ist, und der durch seine verbindliche und warmherzige Art viele Freunde gewonnen hat, ist am 20. Juni 2018 nach lang anhaltender schwerer Krankheit im Alter von 87 Jahren in seinem Wohnort Hannover verstorben. Um ihn trauern nicht nur seine Angehörigen, sondern auch viele Kameraden, die mit ihm die bitteren Jahre in Workuta geteilt haben. Viele von ihnen hielten bis kurz vor seinem Tod einen engen Kontakt zu ihm.
- Siegfried Jenkner vor dem Gedenkbuch in der Universität Leipzig, 2007
Nach seiner Rückkehr studierte Siegfried Jenkner in Wilhelmshaven. Nach der Promotion wurde er auf einen Lehrstuhl an die Universität Hannover berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung tätig war. In den antikommunistischen Widerstand ging er wohl vorwiegend wegen der unhaltbaren Zustände an der Universität Leipzig, und der fortdauernden ideologischen Indoktrination und die allgemeine Unfreiheit im kommunistischen Staat. Nach der Entlassung ging er unverzüglich in die Bundesrepublik, wo er nach dem Studium seine berufliche Karriere aufbaute. Er hielt den Kontakt zu vielen seiner ehemaligen Mitgefangenen aufrecht und nahm auch an den Veranstaltungen der Lagergemeinschaft Workuta teil. Mit Siegfried Jenkner verlieren wir einen aufrechten Kämpfer für Demokratie und Freiheit.
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Eintrag vom 8.6.2018 NEUERSCHEINUNG
Sigurd Binski - ein Kritiker der Diktaturen
Erinnerungen und Dokumente.
Sigurd Binskis (1921-1993) Leben nahm mit der Verhaftung durch den sowjetischen Geheimdienst am 30. März 1951 eine abrupte Wende, die in fünf Jahre schwerer Zwangsarbeit in Workuta münden sollte. Hier, in einer der unwirtlichsten Regionen der Erde und inmitten einer brutalen Realität, die an eine surrealistische infernalische Unterwelt erinnert, hat sich Sigurd Binski als bewunderungswürdiger Mensch bewährt. Seine schließlich aus gebührendem zeitlichen Abstand aufgezeichneten Erinnerungen an jene Jahre sind von größtem Bemühen um wahrheitsgetreue Sachlichkeit geprägt und brauchen den Vergleich mit großen literarischen Zeugnissen über die Welt des GULag nicht zu scheuen.
Zweifellos war sein Erleben einer blutigen Niederschlagung des Aufstandes von Häftlingen am 1. August 1953 jener archimedische Punkt, der auch nach der endlichen Rückkehr nach Deutschland seiner Biographie eine Richtung gab – sich in jeder Situation einzusetzen für Recht, Freiheit und Menschlichkeit. Folgerichtig stand er gemeinsam mit Horst Schüler an der Wiege der Lagergemeinschaft Workuta / GULag Sowjetunion und hat sie zeitlebens maßgeblich geprägt, wie er auch andernorts nach diesen Maximen handelte.
Der 25. Todestag von Sigurd Binski ist ein willkommener Anlass, an diesen großartigen Menschen zu erinnern, dabei ein dramatisches geschichtliches Kaptiel unter heutigem Blickwinkel immer wieder zu durchdenken und so auch Orientierung in einer sich neu abzeichnenden Weltunordnung zu gewinnen.
Sigurd Binski - ein Kritiker der Diktaturen
Erinnerungen und Dokumente
Herausgegeben von Horst Hennig und Gerald Wiemers
Leipziger Universitätsverlag
ISBN: 978-3-96023-160-8
139 Seiten, 19,90€
Eintrag vom 5.6.2018 BERICHT DER JAHRESTAGUNG
Häftlinge im GULag und die Literatur
Unter diesem Motto fand die Jahrestagung der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion vom 1. bis 3. Juni 2018 in Potsdam statt.
Ein Bericht von Prof. Dr. habil. Gerald Wiemers
Allen Unkenrufen zum Trotz, die Lagergemeinschaft besteht lebendig fort. Auch wenn der scheidende Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Günter Morsch, in einem Spiegel-Interview warnt "Geschichte zu leugnen, Verbrechen zu relativieren, Sachsenhausen zu relativieren, indem man etwa nur auf das sowjetische Speziallager abhebt, das hier von 1945 bis 1950 bestand." Wer hier relativiert, ist nicht bekannt. Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind einmalig und nicht vergleichbar. Das sowjetische Lagersystem ist seit 1917 in seiner historischen Dimension auch nicht vergleichbar. Es ist deshalb zu hoffen, dass "die Erfahrungen des GULag", so der spanische Schriftsteller und KZ-Häftling von Buchenwald, Jorge Semprun (1923-2011) 2005, "in unser kollektives europäisches Gedächtnis eingegliedert" werden.
Vor mehr als 75 Teilnehmern konnte der Sprecher der Lagergemeinschaft, Stefan Krikowski, eine positive Bilanz der dreitägigen Veranstaltung ziehen. Es ist vor allem sein Verdienst, ausgezeichnete Vorträge und gute Beiträge eingebracht zu haben. Die Diskussion mit zehn SchülerInnen und ihrer Geschichtslehrerin des ev. Gymnasiums Hermannswerder in Potsdam eröffnete eine lebendige Diskussion mit den Zeitzeugen Horst Schüler, Frieder Wirth, Mike Müller-Hellwig und Theodor Desens. Die Kinder- und Enkelgeneration der einstigen politischen Häftlinge im GULag hat Führungsaufgaben übernommen und wird solche künftig übernehmen, so wie Dr. Heike Hennig, die Tochter des aus Krankheitsgründen verhinderten Dr. Horst Hennig.
Die umfangreiche Organisation der Tagung lag in den Händen von Edda Ahrberg. Mit Bravour und großer Umsicht hat sie sich dieser Aufgabe gestellt. Auch im nächsten Jahr wird sie die Tagung in Köln in verschlankter Form vorbereiten.
Krikowski gedachte der toten Kameraden, erinnerte an den chinesischen Dissidenten und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo (1955-2017), "Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass", dessen Witwe trotz weltweiter Proteste noch immer unter Hausarrest steht. Krikowski stellte außerdem die Aufstellung des von den Chinesen gestifteten und für Propagandazwecke bestimmten Karl-Marx-Denkmals in Trier infrage. Die Stadt hat sich damit einen Bärendienst erwiesen.
- Die ehemaligen Häftlinge der Lindenstraße Heini Fritsche und Horst Schüler(v.l.n.r.)
Die Studienreise vom 2.-10. August 2017 begann in St. Petersburg und führte zu Erinnerungsorten im Nordosten der Russischen Föderation. Im damaligen Leningrad ist die ev.-luth. St. Petri-Kirche 1937 entweiht worden. Beide Pfarrer wurden ermordet. 600 km nördlich liegen die Massengräber von Sandormoch. Hier befand sich ein Begräbnis- und Erschießungsort des NKWD. Russische Kommunisten halten immer noch daran fest, dass es sich bei den Toten von Karelien um Opfer der finnischen Armee aus den frühen 1940er Jahren handelt.
Anke Giesen, Memorial Deutschland, berichtete über eine Reise an die Kolyma, über die örtlichen Lebensbedingungen und den Lageralltag seit 1929 (bis 1953) in Magadan bei subarktischen Kontinentalklima. 1953 lebten dort über 175 000 Gefangene, die Bodenschätze in Bergwerken abbauten. Die Kolyma-Region ist durch die Erzählungen von Warlam Schalamow bekannt geworden.
Bereits in den Grußworten wird deutlich: es ist ein Nehmen und Geben. Anspruchsvoll wird an den GULag erinnert. So zitierte der Potsdamer Bürgermeister Burkhard Exner Texte aus Schalamows Werk "Durch den Schnee", Erzählungen aus Kolyma 1, und erwähnte, dass Potsdam mit den Gedenkstätten in der Lindenstraße und der Leistikowstraße gleich zwei Gedenkorte besitze, wie kaum eine zweite deutsche Stadt. Zugleich erinnerte er an den Gymnasiasten Hermann Schlüter (1930-2018), der als 15-jähriger von einem SMT zu 20 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden war. Schlüter galt als ein wichtiger Zeitzeuge des stalinistischen Terrors in Potsdam. Er ist im Alter von 88 Jahren gestorben.
- Die ehemaligen Häftlinge der Lindenstraße Peer Lange, Heini Fritsche, Horst Schüler, Theodor Desens und Helga Sperlich (v.l.n.r.)
Der Leiter des Universitätsverlages Leipzig, Gerald Diesener, stellte aus Anlass des 25. Todestages von Sigurd Binski und des 65. Jahrestages des Aufstandes in Schacht 29 in Workuta, der am 1. August 1953 blutig niedergeschlagen wurde, das Buch „Sigurd Binski – Ein Kritiker der Diktaturen“ (hrsg. von Horst Hennig u. Gerald Wiemers) vor. Im Mittelpunkt stehen nicht die persönlichen Erinnerungen sondern die nahezu objektiven Wahrnehmungen eines unmittelbar Beteiligten. In der Summe geht es um das kollektive Gedächtnis der Akteure. Erinnerungen und Dokumente beschließen den Band.
Seit Jahren wird immer wieder die Frage erörtert, warum ein so fähiger, bekannter Autor und politischer Häftling wie Horst Bienek (1930-1990) den großen Roman über Workuta nicht geschrieben hat. Auf subtile Weise wies Dr. Andreas Petersen nach, dass sich Bienek in kleinen Schritten dem Thema genähert hat, ohne den großen Wurf zu wagen. Möglichweise fehlte ihm dazu auch Lebenszeit. "Ich bin nach Hause gefahren", schrieb Bienek im Oktober 1990, zwei Monate vor seinem Tod, "ich habe mich an den Schreibtisch gesetzt. Es waren 35 Jahre seitdem vergangen. Und seit 35 Jahren war mir das nicht mehr so nahe gewesen. Ja, jetzt war es vor mir, als sei es gestern geschehen. Ich wusste, jetzt muss ich darüber schreiben."
- Die Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion im Innenhof der Gedenkstätte Lindenstraße, Potsdam
In der Lindenstraße konnte außerdem die Ausstellung "Kunst aus dem GULag. Solomon Gerschow. Workuta 1948-56" unter sachkundiger Führung der Kuratorin Tanya Rubinstein-Horowitz betrachtet werden. Gerschow ist kein unbekannter Künstler, vielmehr Schüler von Marc Chagall. Zweimal verlor er seine sämtlichen Werke und brachte Jahre seines Lebens im Lager zu. Anfangs hat er auch als Bergarbeiter in Workuta gearbeitet, ehe er für seine Vorgesetzten zeichnen durfte. Ein Teil seiner Bilder liegen gedruckt in einem sinnbildlichen Umschlag vor. Solomon Moisejewitsch Gerschow (1906-1989) gehörte zu den herausragenden jüdischen Künstlern, die durch Stalin und seine Schergen gnadenlos verfolgt wurden.
In beiden Gedenkstätten wurde mit Gedenkminuten und Kranzniederlegungen durch Stefan Krikowski an die Opfer des kommunistischen Terrors gedacht.
...schließenEintrag vom 22.5.2018 JAHRESTAGUNG DER LAGERGEMEINSCHAFT
Häftlinge im GULag und die Literatur
Unter diesem Motto findet die Jahrestagung der Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion vom 1. bis 3. Juni 2018 in Potsdam statt.
Auch 63 Jahre nachdem die letzten politischen Gefangenen aus dem GULag in die Freiheit entlassen wurden, trifft sich die Lagergemeinschaft noch immer zu ihrer Jahrestagung. Das dichtgepackte Programm der diesjährigen Tagung finden Sie hier.
Veranstaltungsort:
Mercure Hotel Potsdam City
Lange Brücke
14467 Potsdam
Telefon: 0331 272-2
Eintrag vom 7.5.2018 ELLEN THIEMANN IST TOT
Ellen Thiemann – Die Stimme von Hoheneck ist tot
Ein Nachruf von Tatjana Sterneberg und Carl-Wolfgang Holzapfel
Ellen Thiemann (80) ist am 6. Mai 2018 in Köln verstorben. Ihr Sohn teilte diese traurige Nachricht der Öffentlichkeit mit. Die bekannte Buchautorin und vormalige Redakteurin im Kölner Express hatte im Herbst vergangenen Jahres die bestürzende Diagnose Krebs erhalten. Seither bereitete sie sich mutig und gefasst auf ihren Tod vor.
- Ellen Thiemann am 19. November 2016 vor dem Frauengefängnis Hoheneck
Die Verstorbene wurde am 23. Mai 1937 in Dresden geboren. Dem heranwachsenden Mädchen blieben die furchtbaren, weil bewussten Erlebnisse besonders der letzten Kriegstage nicht erspart, die Bombardierung ihrer Geburtsstadt durch angloamerikanische Bomberverbände blieb ihr als leibhaftige Hölle auf Erden in bleibender Erinnerung.
Vielleicht trugen diese jungen Erfahrungen zu ihrer Politisierung bei. Jedenfalls arbeitete sich die junge Frau bis in den Diplomatischen Dienst der DDR hoch, war schließlich als Dolmetscherin (Spanisch) tätig, die Thiemann zu einer Zeit Aufenthalte im Ausland ermöglichten, die normalen DDR-Bürgern verwehrt waren. Nachdem sie Ende der fünfziger Jahre den in der DDR bekannten Fußballer und Sportjournalisten Klaus Thiemann kennengelernt hatte, heiratete das junge Paar. Nach dem Bau der Mauer am 13. August 1961 empfand Thiemann trotz gewisser Vorteile, die ihr die berufliche Tätigkeit einbrachten, ihren Staat zunehmend als Beengung. Vor allem sah sie für ihren über alles geliebten Sohn die Chancen für eine Zukunft schwinden. Nach vielen Diskussionen entschloss sich das Paar zur Flucht in den Westen. Dabei sollte der Sohn praktisch im Voraus in einem Auto in die Freiheit geschmuggelt werden. Offensichtlich durch Verrat scheiterte diese Flucht am 29. Dezember 1972 am durch mehrere Fluchtunternehmen bereits bekannten Grenzübergang Invalidenstraße. Thiemann, die die Flucht ihres damals elfjährigen Sohnes Carsten und das Scheitern beobachtet hatte, wurde verhaftet. Um ihren Sohn und den Ehemann zu schützen, nahm sie alle Schuld auf sich und wurde am 22. Mai 1973 zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt, während ihr Sohn in die Obhut des Vaters kam. Ellen Thiemann wurde zunächst nicht freigekauft, sondern Ende Mai 1975 in die DDR entlassen. Nach intensiven Bemühungen ihres Anwaltes Wolfgang Vogel, zu dem sie nach dessen Umzug an den Schliersee in Bayern bis zu dessen Tod eine herzliche Verbindung unterhielt, konnte sie mit ihrem Sohn endlich freigekauft werden und am 19. Dezember desselben Jahres die DDR verlassen.
Im Westen angekommen, begann Thiemann eine journalistische Karriere, die sie bis zur Ressortleiterin im Kölner Express empor trug. Von Beginn an nutzte sie die dadurch ermöglichte Chance, die Öffentlichkeit über Hoheneck und die in der DDR furchtbaren Bedingungen in den Haftanstalten zu informieren. Ihr gelang es schließlich, hochrangige Politiker, wie den damaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher, zu einem Besuch in Hoheneck zu veranlassen. Der bereits vorbereitete, von Thiemann angestoßene Besuch von Helmut Kohl in Hoheneck scheiterte an den widrigen Wetterbedingungen, die eine Nutzung des Hubschraubers unmöglich machte.
- Ellen Thiemann bei einer Lesung in Stollberg am 19. November 2016 aus ihrem Buch "Wo sind die Toten von Hoheneck?"
Auch durch vielfache TV-Features, unzählige Interviews und zahlreiche Artikel wirkte Ellen Thiemann an der Bewusstwerdung über die politischen Verfolgungen in der DDR in einem unübersehbaren Umfang mit. Bis zuletzt galten ihre Gedanken der Sorge, dass die Leiden von Hoheneck und den anderen Haftanstalten in Vergessenheit geraten könnten. In einem letzten Telefonat appellierte sie eindringlich, in ihrem Sinn weiterhin engagiert zu bleiben.
Die unverwechselbare Stimme von Hoheneck ist tot. Ihr Vermächtnis wird weiterleben, solange Zeitzeugen das gemeinsame Anliegen und damit die Erinnerung an diese eindrucksvolle Frau bewahren. Liebe Ellen, wir werden Dich nie vergessen.
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Eintrag vom 5.5.2018 AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG
KUNST AUS DEM GULAG - Bleistiftporträts von Solomon Gerschow
Zur Eröffnung der Ausstellung am Dienstag den 15. Mai 2018, um 18:00 Uhr sind Sie herzlich in die Gedenkstätte Lindenstraße, Lindenstraße 54, Potsdam eingeladen.
Im GULag war nur die künstlerische Tätigkeit in einer "Kulturell-Erzieherischen Abteilung" legal möglich, wo Häftlingsnummern aufgemalt, Losungen geschrieben, Wandzeitungen angefertigt und Funktionäre portraitiert wurden. Unter den nicht offiziell entstandenen Arbeiten waren Bleistiftporträts besonders beliebt – sie ersetzten Fotos und konnten in Briefen nach Hause geschickt werden. Dabei wurde Verbotenes weglassen und Vorhandenes beschönigt: Jackett statt Wattejacke, ohne Löcher, Flicken, Nummern, und anstelle des rasierten Kopfes eine Frisur. Auch Gerschow schuf im Lager solche Bleistiftporträts.
Solomon Gerschow (geboren 1906 in Dvinsk/Lettland, gestorben 1989 in Leningrad) studierte Malerei
bei Marc Chagall in Witebsk und bei Kasimir Malewitsch in Leningrad. 1932 wurde er das erste Mal verhaftet, alle seine Bilder wurden zerstört. Gerschow wurde der "Verleumdung" beschuldigt und
zu drei Jahren Verbannung verurteilt. 1948 wurde Solomon Gerschow erneut verhaftet; wieder wurden
alle seine Werke zerstört. Das Urteil lautete auf 15 Jahre Besserungsarbeitslager. Er kam nach
Workuta, wo er in Kohleschächten und schließlich als Künstler in einer "Kulturell-Erzieherischen
Abteilung" eingesetzt war. Im August 1956 wurde er entlassen und rehabilitiert. Gerschow lebte
in Leningrad und hatte Ausstellungen im In- und Ausland.
Flyer Solomon Gerschow Ausstellung "Kunst aus dem Gulag"
Die Ausstellung geht noch bis zum 30. Juni 2018.
Veranstaltungsort:
Gedenkstätte Lindenstraße
Lindenstraße 54
14467 Potsdam
Kontakt:
Telefon: 0331-2896112
E-Mail: info[at]gedenkstaette-lindenstrasse.de
http://www.gedenkstaette-lindenstrasse.de/
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Eintrag vom 2.4.2018 EINLADUNG
Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt zu den 10. Belter-Dialogen am Donnerstag, den 26. April 2018 ein.
Die Belter-Dialoge finden einmal jährlich an der Leipziger Universität statt, um Aspekte des Terrors an ostdeutschen Bildungseinrichtungen sichtbar zu machen. Herbert Belter wurde 1951 zum Tode verurteilt und in Moskau erschossen. Sein Name steht symbolisch für Widerstand und Zivilcourage in der ehemaligen DDR. Die Belter-Dialoge sollen Mahnung sein, sich für die Demokratie zu engagieren, damit sich in unserem Land Diktaturen nicht wiederholen.
Die diesjährigen Belter-Dialoge sind mit den Zeitzeugen Prof. Dr. Werner Gumpel und Dr. Peter Eberle, Mitglieder der Belter-Gruppe und Überlebende des GULags, besonders hochkarätig besetzt.
Veranstaltungsort: Universität Leipzig, Alter Senatssaal, Rektoratsgebäude, Ritterstraße 26, 04109 Leipzig.
26. April 2017, Universität Leipzig, Alter Senatssaal
Programm
9:30 Uhr | Einführung |
Dr. Joachim Klose, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. |
|
9:45-11:00 Uhr | Vortrag |
Wissenschaft und Subjektivität. Aus Stalins Lager zur politischen Systemanalyse Prof. Dr. Werner Gumpel, München, Mitglied der Belter-Gruppe |
|
11:00-11:15 Uhr |
Kaffeepause |
11:15-12:15 Uhr | Vortrag |
Jugend zwischen Universität und Stacheldraht Dr. Peter Eberle, Linthal, Schweiz, Mitglied der Belter-Gruppe |
|
12:15-13:30 Uhr |
Mittagspause |
13:30-15:00 Uhr | Vortrag |
Was wollen wir erinnern? Zur Erinnerungskultur und dem Umgang mit der DDR-Vergangenheit Dr. Reiner Haseloff, Magedeburg, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt |
|
15:00-16:00 Uhr | Vortrag |
Schichten der Geschichte. Wie verändern Gegenwartserfahrungen das Bild von der DDR? Dr. Klaus-Rüdiger Mai, Zossen, Schriftsteller |
|
18:30 Uhr |
Vortrag und Festveranstaltung |
Zeitzeugen und Erinnerungskultur Musikalische Begrüßung: Konstanze Hollitzer Grußwort Prof. Dr. Beate Schücking, Leipzig, Rektorin der Universität Leipzig Dokumente und Zeitzeugen. Wozu brauchen wir sie noch? Roland Jahn, Berlin, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehem. DDR |
"Wenn heute von dieser fernen, dieser untergegangenen DDR gesprochen wird, geht manches durcheinander." – Konrad Weiß (dt. Filmregisseur und ehem. Politiker)
Geschichte wird aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen. Erinnerungen, persönliche Erfahrungen und der Erfahrungsaustausch mit anderen prägen uns dabei. Sie haben eine soziale und politische Dimension. Eine sorgsame Differenzierung ist also notwendig, um nicht ungerecht zu werden. In der zehnten Ausgabe der Belter-Dialoge wollen wir uns dem heutigen Umgang mit der DDR-Vergangenheit widmen. Wie kann erinnert werden? Was bestimmt unsere Erinnerung?
In kaum einem anderen europäischen Land ist die Erinnerungskultur in der Gesellschaft und den Medien so von Bedeutung wie in Deutschland. Dies ist nach dem Erleben zweier Weltkriege, zweier Diktaturen und der deutschen Teilung nicht verwunderlich. Die persönlichen Erfahrungen werden deshalb oft durch wissenschaftliche Analysen und Bewertungen in einen bestimmten Rahmen gestellt und gesellschaftlich verortet. Zeitzeugen und Geschichtsbilder sind dabei für das Erinnern essentiell.
Die Erinnerung an Vergangenes ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Erfahrungen aus der Gegenwart können unsere persönliche Wahrnehmung auch verändern. Wie prägen Geschehnisse aus der Gegenwart unsere Erinnerung an die DDR? Wie bilden wir unser Geschichtsbild aus? Welche Rolle spielen dabei Zeitzeugenberichte und wird der Widerstand gegen die DDR in der Erinnerung oft ausgeblendet? Im Rahmen der diesjährigen Belter Dialoge wollen wir diese und weitere Fragen diskutieren.
Mit herzlicher Einladung
Dr. Joachim Klose
Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. für den Freistaat Sachsen
E-Mail: kas-sachsen@kas.de
http://www.kas.de/sachsen/de/events/76772/
Anmeldung
Der Besuch der Veranstaltung ist kostenfrei. Bitte melden Sie sich für die Veranstaltung an. Sie erhalten keine separate Anmeldebestätigung.
Über Herbert Belter
Geboren am 21. Dezember 1929 in Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), wohnte Herbert Belter zuletzt in Leipzig (Sachsen), wo er ab 1949 an der Gesellschafswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Leipzig studierte. Seit Mai 1950 hatte Belter gemeinsam mit einem Kommilitonen Kontakt zum RIAS. Von dort bezogen sie regelmäßig Broschüren und Flugblätter. Elf Tage vor der Wahl zur Volkskammer verteilte eine Studentengruppe um Belter nachts am 4. Oktober 1950 in der Leipziger Innenstadt Flugblätter gegen das SED-Regime. Bei einer Straßenkontrolle wurde sie verhaftet und am 9. Oktober 1950 an die russischen Besatzungsorgane übergeben. Das Sowjetische Militärtribunal Nr. 48420 verurteilte Belter am 20. Januar 1951 in Dresden wegen Spionage, Aufbau einer konterrevolutionären Gruppe und Verbreitung antisowjetischer Literatur zum Tode durch Erschießen. Herbert Belter wurde am 28. April 1951 in Moskau hingerichtet.
Eintrag vom 22.3.2018 NEUE BIOGRAFIE
Die Biografie von Horst Gerloff (1929-2013) wurde am 21. März 2018 auf www.workuta.de veröffentlicht.
Eintrag vom 16.2.2018 GEDENK-MATINÉE für ARSENIJ ROGINSKIJ
Gedenkveranstaltung, Sonntag, 4. März 2018, 11.00 Uhr
Eine Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V., Memorial Deutschland, Lew-Kopelew-Forum und dem Deutsch-Russischen Austausch lädt zu einer Gedenkveranstaltung für Arsenij Roginskij ein, der am 18. Dezember 2017 in Herzliya (Israel) im Alter von 71 Jahren verstarb. 1989 hat Arsenij Roginskij die Menschenrechtsorganisation "Memorial" mitbegründet, für die er fortan arbeitete, lebte und deren Vorsitz er inne hatte.
Auf einer Matinee wollen wir an diesen großartigen Menschen erinnern und ein deutliches Signal der Unterstützung für die von ihm mitgegründete Organisation Memorial senden. Wir werden sein Lebenswerk würdigen und mit Irina Sherbakova darüber sprechen, wie die Arbeit von Memorial fortgeführt und unterstützt werden kann. Die Veranstaltung wird mit deutsch-russischer Simultanübersetzung durchgeführt.
Veranstaltungsort:
Heinrich-Böll-Stiftung
Schumannstraße 8
10117 Berlin
Kontakt:
Nina Happe
happe@boell.de
+49 (0)30 285 34 384
http://calendar.boell.de/de/event/gedenk-matinee-fuer-arsenij-roginskij
Die Gedenkveranstaltung wird unterstützt von:
Körber Stiftung, Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft, Lagergemeinschaft Workuta/GULag Sowjetunion.
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